erstes Schreiben an das Bundesministerium 15. März 2019
Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
in Ihrem facebook-Posting vom 06. März 2019 von der ITB Berlin haben Sie eine neue Kampagne des „Radlandes Österreich“ vorgestellt. Die Reaktionen auf dieses Posting waren in ihrer Grundrichtung recht eindeutig: Österreich wird derzeit definitiv NICHT als radfahrerfreundliches Land wahrgenommen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Über die Ursachen dafür wird seit Jahren oft, viel, emotional und mit zunehmender Frustration auf beiden Seiten gestritten.
Einschränkend darf man hier anmerken, dass es „den Radfahrer“ ja nicht gibt und dass die Reaktionen hauptsächlich von Seiten der Mountainbiker erfolgten. Dies ist insofern nicht weiter verwunderlich, als Sie für das Video das Foto eines Bikeparkelements im Hintergrund und ein Mountainbike neben sich wählten. Ob dies bewusst so geschah, oder ob das Sujet einfach so „passiert ist“ entzieht sich ja der Kenntnis des Videokonsumenten.
Jedenfalls können derlei Diskussionen ja immer in zwei Richtungen genutzt werden.
Die erste Variante (diese wird im Moment offensichtlich von Ihrem Team verfolgt):
man stellt fest, dass das Posting in die falsche Richtung abgebogen ist und kümmert sich daher nicht weiter darum. Keine Reaktion, abwarten, die Schnelllebigkeit des www wird schon bald ein anderes Thema interessanter machen.
Die zweite Variante, die (und das ist nur meine persönliche Meinung) einem Team im Dienste der Allgemeinheit besser anstehen würde:
Man erkennt, dass hier scheinbar tatsächlich eine Situation besteht, welche man verbessern könnte. Dies kann jemandem, der sich mit Tourismus in Österreich beschäftigt zwar bisher kaum verborgen geblieben sein, aber sei´s drum. Nach dieser Erkenntnis nutzt man den Aufmerksamkeitsfaktor, den dieses Thema im Moment hat und versucht daraus eine Verbesserung herbeizuführen.
Dies ist auch der Ansatz den LEtsBIKE und eine Vielzahl anderer MTB-Vereine in Österreich, seit Jahren verfolgen.
Ich bitte daher höflichst um eine Stellungnahme diesbezüglich und wie mit der Situation weiter umgegangen werden soll.
Gibt es von Seiten ihres Ministeriums die Absicht dieses Thema positiv voranzubringen?
Und wenn ja, wie und in welchem Zeitraum?
Mit welchen Maßnahmen?
Oder folgt auf dieses Missgeschick tatsächlich keinerlei Reaktion, weil das Thema in dieser Legislaturperiode nicht auf der Agenda steht?
Auch dann wäre es fair, den österreichischen Mountainbiker dahingehend in Kenntnis zu setzen.
In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort vebleibe ich mit unserem Leitspruch:
„LEtsBIKE“ – FAIR BIKE statt VER BOT!
Antwort vom Bundesministerium 22. März 2019
Sehr geehrter Herr Kraßnitzer,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10. März.
Zunächst möchte ich festhalten, dass Österreich von vielen Einheimischen und Gästen als ausgesprochen radfahrerfreundliches Land wahrgenommen wird. Das drückt sich auch in Zahlen aus: Österreichweit steht Mountainbikerinnen und Mountainbikern ein sicheres, legal befahrbares Routennetz von rund 27.000 Kilometern zur Verfügung. Diese Strecken sind auf vertraglicher Basis zwischen Grundeigentümern und Ländern bzw. Gemeinden oder Tourismusverbänden zum Befahren freigegeben.
Darüber hinaus besteht in Österreich ein Netz an klassischen Radrouten von 14.000 Kilometern, das der Bevölkerung und unseren Gästen zur Verfügung steht. Diese gut ausgebaute Radinfrastruktur wird von unseren Gästen bereits sehr gut angenommen. Radfahren ist daher für den Tourismus ein wichtiges Segment. Rund 24 Prozent aller Sommergäste fahren Rad in Österreich – damit ist dieser Bereich nach Wandern und Baden bereits auf Platz drei der beliebtesten sportlichen Aktivitäten im Sommerurlaub in Österreich. (T-Mona).
Aufbauend auf der vorhandenen Radinfrastruktur und dem Potenzial an internationalen Gästen in diesem Segment wurde die Kampagne „You like it? Bike it!“ Anfang März auf der ITB vorgestellt. Die Kampagne ist eine Kooperation von sieben Bundesländern und der Österreich Werbung, die Österreich als Radland in den Segmenten „Genussrad und Mountainbike“ für internationale Gäste bewirbt. Im Mittelpunkt dieser Kampagne stehen ausgewählte, bereits sehr erfolgreiche Produkte in diesen beiden Segmenten, die Inspiration für einen Radurlaub in Österreich liefern sollen. Die Kampagne beschränkt sich nicht auf Mountainbikerinnen und Mountainbiker, sondern spricht alle Gäste an, die im Urlaub gerne mit dem Rad unterwegs sein wollen.
Gerade im Bereich Mountainbike geht es vor allem darum, den Gästen Orientierung und Sicherheit zu geben. Eine klare Kennzeichnung, welche Routen in welchem Umfang befahren werden dürfen, sowie die Verfügbarkeit und Verbreitung der entsprechenden Informationen ist in diesem Kontext sehr wichtig. In den letzten Jahren sind in Österreich viele neue Trails entstanden. Dieses Angebot wird auch laufend ausgebaut und die Einteilung und Information zu Schwierigkeitsklassen trägt wesentlich dazu bei, eine Tour optimal in Bezug auf Fahrkönnen einzuschätzen.
Wichtig bei der Weiterentwicklung des Angebots in diesem Bereich ist aus unserer Sicht die Einbeziehung aller Beteiligten auf regionaler Ebene. Dies funktioniert vielerorts in Österreich bereits ausgezeichnet: Tourismusverantwortliche, Gemeinden und Regionen finden in aller Regel gemeinsam mit den jeweiligen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern gute Lösungen im Interesse der mountainbikenden Gäste und Einheimischen. Der Schutz von Flora und Fauna, eine klare Regelung von Haftungsfragen, freigegebene Forststraßen und die Ergänzung des Mountainbike-Routennetzes durch Bikeparks und Trails sind Parameter, die dabei berücksichtigt werden, um ein konfliktfreies Miteinander zu ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Köstinger
zweites Schreiben an das Bundesministerium 22. März 2019
Sehr geehrte Frau Köstinger,
ich hoffe in meinem Schreiben deutlich gemacht zu haben, dass meine Kritik dem Umstand der Bewerbung des Mountainbikens gegolten hat.
Eine realistische Betrachtung der 27.000km legaler MTB-Routen (doppelte Kilometer aufgrund überlappender Touren oder selber Routenführung am Beginn und Ende einer Tour, Asphaltkilometer, Schotterautobahnen mit Autoverkehr etcpp) würde natürlich zu einer nicht unerheblichen Verkleinerung dieser Zahl führen. Aber da ist man bei den Pistenkilometern ja auch nicht zimperlich, solange der Gast glaubt was er liest ist alles in Ordnung. Die restliche Radinfrastruktur mögen deren Benutzer beurteilen, da fehlt mit der Erfahrung. Dass aber ein Drau – oder Donauradweg durchaus reizvoll sein können will ich nicht bestreiten.
Der erste Satz mag in Bezug auf den Touristen vielleicht stimmen. Wenn ich als Urlauber nach Österreich komme, mir hier ein (E)-Bike ausleihe um damit, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, auf einen Berg zu radeln und auf der Alm dann eine Jause einzunehmen, dann, ja dann glaube ich schon, dass bei diesem Urlauber eine gewisse Hochstimmung aufkommt. Selbiger Urlauber hat dann nämlich erstmals jene Momente erleben dürfen aufgrund derer der einheimische Biker schon seit vielen Jahren diesen Sport betreibt.
Und wenn dem Urlauber dieses Erlebnis einmal pro Jahr genügt, dann kann er in Österreich bis an den Rest seines Lebens Urlaub machen. Bei diesem Gast ist es auch wichtig mit Hinweisen und Kennzeichen die angesprochene Orientierung und Sicherheit zu bieten, ansonsten könnte es sein, dass selbst dieses Ersterlebnis nicht ganz den gewünschten Positiveffekt auslöst.
Sollte dieser Urlauber aber eine darüberhinausgehende Begeisterung für das Thema Mountainbike entwickeln, dann wird er sehr rasch feststellen, dass er in Österreich, außerhalb der von Ihnen angesprochenen und beworbenen Reservate und Destinationen, vieles erleben wird. Die Worte „legal“, „befahrbar“, „radfahrerfreundlich“ oder „Radland“ werden allerdings in der Schilderung dieser Erlebnisse eher nicht vorkommen. Aber es gibt ja genug Urlauber da draußen. Kommen eh auch immer wieder neue.
Das Budget der Kampagne kommt, wenn ich es richtig verstanden habe, nun also hauptsächlich jenen Destinationen zugute, die in der Vergangenheit bereits (aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer) ein entsprechendes Angebot für Mountainbiker schaffen konnten. Soweit so gut, den Letzten beißen die Hunde. Vielleicht 2 erzeugt zumindest diese Tatsache in den anderen „Entwicklungsgebieten“ einen gewissen Leidensdruck und damit einhergehend ein stärkeres Bemühen bei dem Thema.
Das Hinzukommen neuer Trails spielt sich dann auch überwiegend in genau diesen, bereits erschlossenen, Gebieten ab. Viele dieser neuen Trails sind gebaute, vermarktete Wege, welche mit Unsummen an Investitionen und dem Einsatz von schwerem Gerät zustande kommen. Weiters etliche „Flow-Trails“ welche, diesen Blick in die Zukunft wage ich, bei weitem nicht alle überlebensfähig sein werden. Wie förderlich diese Sandautobahnen einst sein werden, wenn sie, von der Erosion gezeichnet und halb zugewachsen, ganze Berghänge bereichern wird sich zeigen. Und abseits genannter Destinationen werden Grundbesitzer die nächsten 100 Jahre die Haftungskarte spielen während der Biker entweder weiterhin die feschen Taferln allerorts ignorieren oder ins benachbarte Ausland ausweichen wird.
Womit wir beim eigentlichen Thema wären: Österreich bietet eine derartige Vielzahl an Möglichkeiten sich mit dem MTB in der Natur zu bewegen, es bedürfte keinerlei zusätzlicher Angebote. Gebaute Trails, Bike-Areas, Bikeparks und Sandrollercoaster haben ihre Berechtigung als spaßige Beimengung zum Gesamtthema MTB, auch ich nutze diese fallweise.
Demjenigen, der MTB jedoch in seiner ursprünglichen Form, als naturnahe, von der Haustür auszuübende Sportart versteht, bleiben in der Regel alle Wege verschlossen. Auch in den Tourismusgebieten sollte man sich davor hüten, die Natur auf eigene Faust erkunden zu wollen (siehe Hinweise und Kennzeichnung). In der Steiermark (und die Kampagnenkarte zeigt dies ja deutlich) habe ich kaum die Möglichkeit vor der Haustür zu abwechslungsreichen MTB-Runden aufzubrechen, ohne das Gesetz zu brechen. Um legal einen Tag auf Wegen und Singletrails zu verbringen muss ich mein Bike aufs Auto schnallen und zumindest 45 Minuten fahren, um dann dort einen vermeintlich umweltfreundlichen Sport ausüben zu können. Besonders nachhaltig ist das nicht.
Und genau hier (im Kreis der NACHHALTIGKEIT, die ja auch Teil ihrer Ministeriumsarbeit ist) hätte der Unmut der Community dazu führen können, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen und zu versuchen eine für die Zukunft gültige, universelle und dauerhafte Lösung zu verankern. Denn mit einem, den Nachbarländern vergleichbaren, Angebot an legalen Bike Möglichkeiten hätte man nicht nur das Kampagnenbudget anderweitig einsetzen können (die Biker würden nämlich ganz von selbst in großer Begeisterung anströmen), man hätte auch noch für die heimische Bevölkerung etwas bewegt und NACHHALTIGE Sportausübung vor der Haustür jedes einzelnen ermöglichen können. Chance vertan.
Stattdessen wird der derzeitige Zustand einzementiert. Und, ich kann mich des Eindrucks immer noch nicht ganz erwehren, auch immer noch nicht als Problem erkannt. Aber sei´s drum, man hat gelernt mit den Umständen zu leben. Die Feierabendrunde erfolgt auf illegalen Wegen, den Urlaub verbringt man eben weiterhin in Slowenien, Südtirol oder in der Schweiz.
Mit freundlichen Grüßen
Kraßnitzer Gottfried
Obmann LEtsBIKE